Mani Matter formuliert eine Kritik an der Kirche, die weh tut. Denn er spottet nicht über die Heuchelei und Doppelmoral der Kleriker, wie das die Aufklärer aus guten Gründen getan haben. Er empört sich auch nicht über das Fehlverhalten, den Machtmissbrauch und andere unappetitlichen Erscheinungen in den Amtskirchen. Sondern er konstatiert, dass die biblische Botschaft von den Kirchen so traktiert wird, dass sie als langweilig, harmlos und nichtssagend erscheint. 1962 notiert er in einem Tagebucheintrag:
Das Christentum sei zweifellos eine geistige Quelle, aus der schöpferische Impulse zu erwarten seien. Doch
„wenn nun jedermann sieht, welch gewaltige Organisation darum herum aufgebaut ist, wie viele Menschen damit beschäftigt sind, wieviel Literatur darüber fabriziert wird und wie dennoch so wenig Schöpferisches zu spüren ist, so wird man allmählich anfangen zu glauben, die Quelle gebe eben nichts her; sie sei ausgeschöpft. Dann wird aus dem Christentum eine leere Konvention. Und die Kirche wird es zugrunde gerichtet haben. … Heute hat man das Gefühl, die Bibel sei Sache der Pfarrer, sie werde schon genügend beackert; und wenn nichts daraus entspriesst, so ist man versucht zu schliessen, sie gebe offenbar nichts mehr her“ (Sudelhefte, S. 76).
Niklaus von Flüe hat im Auftrag seiner Gemeinde gegen den habgierigen Ortspfarrer prozessiert und hat die Stiftung seiner Ranftkapelle nicht einer kirchlichen Autorität unterstellt, sondern der Obwaldner Regierung. Auch für ihn gab es gute Gründe, kirchenkritisch zu sein. Die beiden Kleriker, die ihn beraten und begleitet haben, musste er suchen. Doch er hat sie gefunden und hat sich von ihnen auch in neue, dazumal moderne geistliche Übungen einführen lassen.
Jesus hat seinen Jüngern gesagt: Es gibt Schriftgelehrte, die auch Jünger des Himmelreiches sind. Sie „gleichen einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt“ (Matthäus 13,52).